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1956 - Die Eiskatastrophe

Eisgang auf der Mosel am 3. März 1956


Wir schreiben den 3. März 1956.

3:40 Uhr morgens

In Kobern ertönt das langanhaltende Geheul der Alarmsirene. Es ist noch Nacht und draußen geht ein schwerer Regen nieder.

Die Bevölkerung wird aus ihrem Schlafe aufgestört, Lichter flammen auf und die Straßen des Dorfes liegen im Schein der elektrischen Lampen. Die so plötzlich aufgeschreckte Bevölkerung strebt durch das Dunkel auf die linksseitige Moseluferstraße. Sie starren am Geländer auf den Strom, der Regen schlägt in ihr Gesicht und kalte Schauer jagen über ihre Körper.

An der Mosel ist es dunkel, Taschenlampen flammen auf und die Lichtstrahlen huschen wie Scheinwerfer über die dahingleitenden Eismassen. An der Böschungsmauer brodelt, knistert und rauscht es, die Eisblöcke und Schollen finden hier einen starken Widerstand. Die Menge freut sich, weil alles so schön im Fluss ist und schüttelt Sorgen und Bedenken ab.

Der Fluss ist durch die Unterführungen des Bahnkörpers in den Bereich des Ortes eingedrungen und steigt schnell und allen sichtbar, denn das Wasser läuft auf und geht nicht mehr zurück. Ein Umstand, welcher beim normalen Ansteigen nicht zu beobachten ist. Gegen die Gewalt der Eismassen schützen der Bahn- und Straßendamm, das Eis kann vorerst nicht eindringen.

Männer mit Feuerwehrhelmen tauchen aus dem Dunkel auf, man sieht die vertrauenerweckenden Gestalten des Bürgermeisters Scherer und des Wehrleiters Sturm, aber alle wissen noch nicht so recht, was vorgeht. Bricht sich das Eis reibungslos seinen Weg oder findet es in Richtung Winningen oder Lay oder an der Staustufe Widerstand?

Die Eisbewegung bleibt flott und zügig, was kann es wohl sein, dass die Mosel immer noch steigt?

Ein Anruf nach Winningen bringt zunächst einmal Klarheit, das Eis steht noch, in Güls ist alles in vollkommener Ruhe, die Bewohner liegen dort noch in ihren Betten.

5:30 Uhr

Die Mosel steht am Eingang zur Schifferstraße und erreicht an der Fährstraße fast die Bahnhofsstraße. Das entspricht einem ungefähren Wasserstand von 6 Meter. Die Menschen werden nun ängstlich und unruhig. Eine Panikstimmung droht sich ihrer zu bemächtigen, aber es kommt keine Nachricht, die verantwortlichen Männer sind auf sich selbst gestellt und müssen sich dauernd erkundigen.

6:00 Uhr

Die Schifferstraße läuft voll Wasser, die gefährdeten Keller werden geräumt, die Männer der Feuerwehr waten durch die Flut mit ihren Gummistiefeln. Lastkraftwagen fahren mit großen Spritzern in das Wasser, Traktoren springen mit Getöse an, man birgt die bewegliche Habe der betroffenen Bewohner des Unterdorfes. Auch die Wolkener Feuerwehr ist inzwischen eingetroffen und die mitgebrachten Hilfskräfte werden schnell an die bedrohten Punkte verteilt. Die Unruhe der Menschen steigt.

6:30 Uhr

Das Moseleis steht! Die Menschen eilen wieder auf die Moseluferstraße, der rettende Tag bricht an. Sie sehen dort ein einmaliges Ereignis von schauerlicher Schönheit. Vor ihnen auf dem Strom eine fast unübersehbare gewaltige Fläche zusammengedrängter Eismassen in absoluter Ruhe, wie ein erstarrter Riese, eine ungeheure gebändigte Kraft und das Unheimliche ist die Höhe des Eisstromes. Er reicht bis zum Straßenrand, ein einmaliges Bild gesammelter wilder Naturgewalt und man fragt sich mit Entsetzen, was hält diesen Eisstrom auf?

Ein Schrei aus der Menge dringt durch den erwachenden Morgen. Das Wasser steigt, überschwemmt springflutartig die Straße, die Menschen fliehen wieder voller Schrecken in das Dorf.

Dort hat das Wasser in schnellem Steigen von der Fährstraße aus die Bahnhofsstraße im Dorf überflutet, die Wasser dringen auf den Marktplatz, von der Schifferstraße aus auf die Markt- und Engestraße!

Doch nun schwimmen Eisblöcke und große Schollen auf den Wassern der Straßen und des Marktplatzes. Wo kamen sie her? Sie wurden durch die Eisenbahnunterführung in das Dorf gedrückt und setzten sich später in den Straßen und am Moselweg auf den Grund, manche Blöcke sehen aus wie Gletschertische und sind oft von unwahrscheinlicher Größe.

Der Marktplatz ist jetzt nahezu überflutet, das Wasser hat den dortigen Hydranten erreicht. Derselbe ist einem Pegelzeichen gleichzusetzen, d.h. Der Wasserstand beträgt dort 7,30 Meter. Die Mosel hätte somit einen Stand von 7,30 Meter beim Eisaufbruch in Kobern erreicht.

Möbel und bewegliches Gut aus den bedrohten Räumen wird gerettet, die Fahrzeuge stehen bis zu den Achsen im Wasser, Wehrleute leisten Hilfe. Es gilt der Räumung der Zweigstelle der Kreis- und Sparkasse, der Installation Krans und des Hotel Simonis. Überall ein Gedränge von Fahrzeugen aller Art. Landwirte bringen ihr bedrohtes Gut in Sicherheit. Im Hause Richard rauscht um diese Zeit die Flut wasserfallartig über die Stufen des Aufganges in den Keller. Geräusche eines wilden zerstörenden Elementes.

7:35 Uhr

Das Eis hat sich wieder in Bewegung gesetzt! Erst langsam und zögernd, dann immer schneller und ungestümer, aber das Wasser steht noch.

7:55 Uhr

Das Wasser fällt plötzlich, so schnell wie es gekommen ist

8:10 Uhr

Das Wasser steigt wieder mit bedrohlicher Eile bis zu 50 cm. Es ist wie der Pulsschlag eines geheimnisvollen Wesens in dem Reiche der naturhaften Kräfte.

8:20 Uhr

Das Wasser fällt jetzt stetig, aber allmählich. Die Menschen atmen auf, die Gefahr scheint vorüber. Begonnene Räumungen werden freudestrahlend eingestellt.

10:00 Uhr

Marktplatz, Schiffer-, Markt- und Bahnhofsstraße sind wieder frei, nur die hinein geschwemmten Eisblöcke und Schollen sind liegengeblieben, auf den freien Straßen und Plätzen ein fremdartiges und unwirkliches Bild, umso mehr, als Blöcke von bedeutender Größe darunter sind.

Jetzt erst sind die Auswirkungen des Eisganges erst zu übersehen. Die Koberner Fährrampe und die Unterführung Kastorbach sind durch bedeutende Eismassen blockiert. Die linksseitige Moselstraße in Richtung Winningen ist von Eisschollen und Eisblöcken bedeckt, das Holzgeländer zum großen Teil zerstört und beschädigt. Entlang der Uferböschung in Richtung Strom haben sich gewaltige Eismassen festgesetzt, welche das Niveau der Straße noch bedeutend überragen. Falls sie nicht weggeschwemmt werden, bedarf es vieler Wochen ehe sie durch Wärme und Sonnenbestrahlung verschwinden. Die moselseitigen Gärten im Distrikt Kalkofen liegen zum großen Teil unter Eismassen begraben.

Noch stehen viele Keller unter Wasser, nun versucht unsere Wehr mit ihrer Löschpumpe den Schaden zu beheben. Noch sind die Wege an der Mosel unpassierbar und die Straße erster Ordnung ist durch Eisreste für jeglichen Verkehr gesperrt.

Schon kommen neue Hiobsbotschaften, die von der bedeutenden Anschwellung der oberen Saar und Mosel melden.

Eiskatastrophe rz archiv Hatzenport1956

Bildquelle: Rhein-Zeitung, Archivbild 1956, Hatzenport/Untermosel; Autor: Unbekannt.

Peter Moritz | Kronenbergerstraße 4 | Kobern

 

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