Der Marktplatz von Kobern im Laufe der letzten Jahrhunderte
Eine Bildreportage von Rudolf Schäfer – Kuratorium Kobern-Gondorf…
Auf der Karte der französischen Domänenverwaltung von Kobern im Jahre 1809 ist der Koberner Marktplatz eingezeichnet. Auf der Karte ist zu erkennen, dass es sich in der nachmittelalterlichen Zeit weniger um einen rechteckigen oder großen runden Platz handelt als vielmehr um eine Erweiterung der Marktstraße. Es ist davon auszugehen, dass die Bebauung zur Mosel hin, also die östliche Seite des Marktplatzes, erst im späten Mittelalter erfolgte, ebenso die erste Häuserzeile nach Westen. Der Platz war somit im frühen Mittelalter viel größer und zur Mosel offen. Daher kann man sich gut vorstellen, dass hier in der Ritterzeit genügend Platz war, um Turniere abzuhalten, wie es von einigen Heimatforschern immer wieder erwähnt wird. Ob auf dem Koberner Marktplatz im Mittelalter regelmäßig ein Markt abgehalten wurde, ist nicht bekannt. Dazu wäre es notwendig gewesen, dass der Grundherr dem Ort das Marktrecht verliehen hätte. Außerdem hätten zu einem mittelalterlichen Markt einige weitere Merkmale wie z.B. ein Marktbrunnen, ein Rathaus oder eine Marktkirche gehört. Hinweise auf einen fest eingerichteten mittelalterlichen Wochenmarkt in Kobern müssen noch erforscht werden.
Dass aber ohne Zweifel der Marktplatz von Kobern im Laufe des Jahres als „Jahr-Markt" diente, ist bis in die heutige Zeit geblieben. Der Marktplatz war im Laufe eines Jahres immer wieder ein Veranstaltungsplatz, Jahrmarkt und Festplatz, wie z.B. zur Lubentiuskirmes, bei der Fronleichnamsprozession oder zu anderen Festveranstaltungen wie Weinfest, Bundesköniginnentag, Weihnachtsmarkt, usw. Dabei soll durch die nachfolgenden Fotografien aufgezeigt werden, wie sich der Koberner Marktplatz seit 1900 immer wieder verändert hat. Der „Maad von Kowa" (Markt von Kobern) war immer ein Ort, auf dem das öffentliche Leben stattfand.
Im Jahre 1909 war der Koberner Marktplatz unbefestigt. Die Häuser mit ihren Fachwerken waren aus Versicherungsgründen verputzt. Die Abwässer flossen am Rand des Platzes offen zur Mosel. Seit dem Jahre 1908 gab es aber eine öffentliche Wasserleitung, die die über 30 Brunnen und „Petze" in den Höfen oder an Straßenecken überflüssig machten.
Nach der Inflation (1923) und der Weltwirtschaftskrise (1929) begann ab 1932 durch einen langsamen Anstieg im Weinhandel ein kleiner wirtschaftlicher Aufschwung an der Mosel.
Die Hotels (hier am Beispiel Hotel Simonis) wurden umgebaut und steigerten ihr Leistungs-niveau. Die Zimmer erhielten fließendes Wasser, die Restaurants hatten Wasserbassins für frischen Moselfisch, es wurden eigene Tanksäulen für die Gästeautos installiert und hoteleigene Ruderboote für Bootsfahrten auf der Mosel vorgehalten. Immer mehr wohlhabende „Sommerfrischler" wurden angelockt, nach 1933 vor allem Nazi-Größen aus Berlin. Vor einigen Jahren wurde bei der Renovierung der Telefonanlage im Hotel Simonis ein Schaltkasten entdeckt, der es den Nazis ermöglichte, über eine Standleitung jederzeit Berlin zu erreichen. Es entstanden im Weinbau und in der Gastronomie zunehmend Arbeitsplätze.
Die Nationalsozialisten nutzten geschickt ab 1933 den langsamen Aufschwung und eröffneten neue Urlaubsmöglichkeiten für die breite Masse. In dieser Zeit wurde zur Belebung und Förderung des Fremdenverkehrs der Marktplatz völlig neu gestaltet. Im Jahre 1934 wurde der Platz mit einem Weinbrunnen, dem Tatzelwurmbrunnen, ausgestattet.
Der Tatzelwurm-Weinbrunnen beruht auf einer Sage, wonach Kreuzritter Heinrich, das in Kobern lebende Ungeheuer tötete. Vorbild für eine entsprechende Großkeramik waren Darstellungen auf Kapitellen der Matthias-kapelle. Die Figur wurde in Höhr-Grenzhausen gebrannt und war mit Zapfhähnen für Wein und Wasser versehen. Ende 1944 wurde der Tatzelwurm von deutschen Wehrmachtsangehörigen nach einem Gelage zerstört und anschließend der Gemeinde ersetzt.
Um dem Marktplatz ein historisches Aussehen zu verleihen, wurden die weiß verputzten Häuser mit fachwerkähnlichen Strukturen übermalt.
Nachdem in der Weimarer Republik die Urlaubstage auf 8 verlängert worden waren, bekamen die Arbeiter in der nationalsozialistischen Zeit eine weitere Urlaubsverlängerung von 2-3 Wochen. Durch die politische Einrichtung „Kraft durch Freude" (seit 1933) wurde die neugeschaffene Freizeit politisch gestaltet und überwacht. Viele Sonderzüge der nationalsozialistischen Einrichtung „Kraft durch Freude" liefen den Moselort Kobern an. Aber auch die Gemeinde Kobern selbst tat vieles, um den neuen Marktplatz mit Leben zu füllen und zu einem Anziehungspunkt für Einheimische und Gäste zu machen. Der Tourismus und der Weinabsatz sollten durch die Gründung von Patenschaften mit Oppeln und Breslau und durch das Burgenfestes im Jahre 1934 gefördert werden
Der Koberner Marktplatz mit dem Tatzelwurm Weinbrunnen wird zum „Herz" von Kobern und zum Festmittelpunkt beim Burgenfest.
Der Marktplatz von Kobern wird ab dem Jahre 1934, wie auf dem Foto zu sehen, auch ein Ort der politischen Auseinandersetzung. Deutlich kann man erkennen, dass einige Häuser mit der Hackenkreuzfahne andere wiederum mit dem lateinisch-christlichen roten Kleeblattkreuz, der Koberner Kreuzfahne, geschmückt sind. Nur kurze Zeit später wurde die christliche Fahne sogar verboten und die Koblenzer Polizei mit der Überwachung dieses Verbotes beauftragt. Pfiffige Koberner hissten deshalb bei der Fronleichnamsprozession die Kreuzfahne hinter ihren Fenstern. Es gab sogar die stumme Demonstration, dass die Kreuzfahnen für die kurze Zeit, wo die Fronleichnamsprozession an den Häusern vorbeikam, von den Besitzern spontan gehisst und schnell wieder eingeholt wurden. Dies geschah bei einer so großen Zahl von Bürgern, dass auf eine Strafverfolgung verzichtet wurde.
Der durch den 2. Weltkrieg zusammengebrochene Fremdenverkehr kam in den 50er-60er Jahr nur mühsam wieder in Gang. 1961 wurde ein neuer Tatzelwurm-Weinbrunnen geschaffen. Die Koberner Bürger zeigten eine große Bereitschaft, das Fachwerk ihrer verputzten Häuser wieder frei zu legen und mit Blumen zu schmücken. Damit erhielt der Ort ein sehr ansprechendes, historisch wirkendes und einladendes Gesicht.
Mit der Entstehung des Tanzpalastes E.Dö. veränderte sich die Struktur des Tourismus. Die Besucherzahlen und die vom Tourismus lebenden gastronomischen Betriebe und deren Mitarbeiter wurden erheblich gesteigert. Die Einseitigkeit aber des vorwiegenden Wochenendtourismus verdrängte erholungs- und kulturinteressierte Langzeiturlauber Sie blieben in Zukunft weg.
1958 wurde auch das Burgenfest auf dem Marktplatz neu belebt. Ein Festzug unter Beteiligung der Ortsvereine lockte viele Gäste an, ein Ritterschauspiel wurde aufgeführt. Der Festplatz wurde um den Platz am Rittersaal erweitert. Das letzte große Ritterspektakel fand beim Burgenfest 2007 statt.
2013/2014 wurde im Rahmen einer Ortssanerung der Marktplatz und die nähere Umgebung umgestaltet.
Marktplatz 2008 (Bild oben) - Marktplatz 2015 (Bild unten)
Aus dem Tatzelwurm-Weinbrunnen wurde ein Tatzelwurm-„Denkmal" mit Fontänen. Der historische Charme früherer Jahre schwand. Es ist zu hoffen, dass der Platz nicht nur kommerzielle Sitzgelegenheiten und Sonnen- und Regenschutz bietet, sondern dass auch den Koberner Bürgern ein Aufenthalt ermöglicht wird. Der Marktplatz sollte so ausgestaltet werden, dass er wieder die Stellung einnimmt, die er einmal hatte, und ein Mittelpunkt für das soziale Leben wird.
Marktplatz 2000 im Vergleich zu 2014: Der Platz hat an sich durch die Autofreiheit gewonnen, leider aber bis jetzt seinen historischen Charme und seine soziale Bedeutung verloren. Durch eine kommunikative und schmuckvolle, begrünende Ausgestaltung könnte einiges gutgemacht werden. Ein Wettbewerb unter Beteiligung der Hochschule im Fachbereich Sozialwissenschaft könnte wertvolle Ideen für soziale Handlungsräume erarbeiten.
  Weitere Geschichten
„ZUM MENSCHEN UND SEINER FÄHIGKEIT GEHÖRT DIE GESCHICHTE;
ES GIBT KEIN HEUTE UND KEIN MORGEN OHNE DAS GESTERN.“
In diesem Sinne sollen Geschichten und Kulturdenkmäler in und um Kobern-Gondorf unserer Dorfgemeinschaft erhalten und lebendig bleiben.
Wir haben eine ganze Reihe von Geschichten für Sie aufbereitet:
- Der Rittersaal erzählt
- Der Marktplatz Kobern
- Die Koberner Unterwelt
- Die Moselbogen in Kobern
- Die Eiskatastrophe 1956
- Kriegsende an der Untermosel
- Wasserwelt der neun Koberner Mühlen
- Bartholomäus Kröber – „De Mies“
- Der höchste „Berg“ von Kobern?
- „Gritte Basjes Pädche“
- Dat Wasser von Kobern es god!
- „Dat Bur-Budche“
- Johann II. Romlian zu Cobern
- Zum 200. Geburtstag
- Alte Koberner Grabkreuze
- Hausmarken Friedhof Kobern
- Historisches Gräberfeld
- Jakob Rieser
- Matthias Reif – Burgstraße
- Bellthal Moselsprudel in Kobern
- Alle Geschichten auf einen Blick